Im Special Interest Magazin Nachhaltiger IT-Einkauf von Kleine Kniffe kommen Expertinnen und Experten u.a. zu den Themen Green IT - Strategien und Lösungen, Nachhaltige IT-Beschaffung in der Industrie, Nachhaltige IT Beschaffung der öffentlichen Hand, Künstliche Intelligenz in der Beschaffung, uvm. zu Wort. Auch KOINNO ist mit einem Interview zum Thema „Nachhaltige öffentliche Beschaffung durch elektronische Marktplätze“ dabei.

Anbei ein Ausschnitt des Interviews, das Thomas Heine mit Susanne Kurz, Stellv. Leiterin KOINNO, führte:

Nachhaltige öffentliche Beschaffung durch elektronische Marktplätze?


Einkauf im öffentlichen Sektor und elektronische Marktplätze – wie geht das zusammen? Mit dieser Frage haben sich die Einkaufsleitungen in den Fachgruppen der BME-Sektion „Öffentliche Auftraggeber“ intensiv auseinandergesetzt. Die Ergebnisse sind im neuen BME-Leitfaden „Chancen und Nutzung von elektronischen Marktplätzen im öffentlichen Einkauf“ zusammengefasst. Die Publikation gibt auf 116 Seiten einen ausführlichen Überblick über die Welt der E-Marktplätze und findet neue Lösungsansätze.

Thomas Heine: Digitalisierung in der Beschaffung ist ein Riesenthema und betrifft nicht nur die Zielgruppe „Bund“, sondern auch die Länder und nachgeordneten sektoralen Ebenen. In den klassischen Verwaltungsstrukturen gibt es zwar eine zentrale Vergabestelle, jedoch keinen Zentraleinkauf. Die Beschaffung ist zumeist dezentral organisiert und die Vorgangsbearbeitung erfolgt auf „Papier und mit Office-Anwendungen“. Welchen Nutzen hat eine Digitalisierung der Beschaffungsprozesse?

Susanne Kurz: In der Tat wird in Verwaltungen gerade bei geringen Auftragswerten im Direktauftrag dezentral, individuell und manuell beschafft. Oftmals fehlt hierbei die passende IT-Unterstützung, wodurch die Prozesskosten hoch sind und die Datenlage intransparent und unvollständig. Die Abläufe sind zeitverzögert und mögliche Synergien bei sich wiederholenden Tätigkeiten werden verschenkt. Dabei gehen viele Bündelpotenziale zur Kostensenkung und auch zu mehr Innovation und Nachhaltigkeit verloren.

Unter Prozesskosten versteht man die finanziellen und zeitlichen Kosten, also die Beschaffungskosten beim Auftraggeber wie zum Beispiel der Aufwand für die Markterkundung. Durch E-Marktplätze ist der Prozess digitalisiert, folgt in den Bestellschritten einem Standard und  Bündelpotenziale können durch eingebundene Rahmenverträge gehoben werden. So können automatisierte Abläufe im Einkaufsprozess dabei helfen, die Beschaffung effizienter, transparenter und flexibler zu gestalten. Die Digitalisierung führt in den Verwaltungen zu tiefgreifenden Veränderungen der Geschäftsprozesse im Beschaffungsmanagement.


TH: Das Ziel, Produkte einzukaufen, die ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig sind, spielt eine immer größere Rolle bei der Beschaffungsentscheidung. Welche Bedeutung haben in diesem Zusammenhang E-Marktplätze?

SK: Die Vielfalt der E-Marktplätze mit einer Fülle an Anbietern und Produkten unterstützt die Zielsetzungen für mehr Innovation und Nachhaltigkeit. Um dies in der Beschaffung zu realisieren, ist es wesentlich, sich die einzelnen Warengruppen auf ihren möglichen Impact anzuschauen und daraus eine Warengruppenstrategie abzuleiten. Aus der strategischen Analyse in den Warengruppen werden innovative und nachhaltige Kriterien abgeleitet und in Rahmenverträgen und E-Katalogen abgebildet. Diese können den Bedarfsträgern dann strukturiert und standardisiert auf einem E-Marktplatz bzw. einer E-Procurement-Plattform angeboten werden. Diese Plattformen vereinfachen mit den verschiedenen Funktionen wie Produktkatalogen, Bestellsystemen und Zahlungsabwicklung den Einkaufsprozess und helfen dabei, die Beschaffung effizienter und damit wirtschaftlicher zu gestalten.


TH: Bei der Entscheidung für die Nutzung von E-Marktplätzen stehen die öffentlichen Beschaffungsstellen jedoch im Spagat zwischen den Vorgaben des Vergaberechts und der Digitalisierung der Einkaufsprozesse. Wie kann dieser Widerspruch aufgelöst werden?

SK: Eine konkrete Regelung, wie mit elektronischen Marktplätzen in der öffentlichen Beschaffung umgegangen werden soll, fehlt bislang. Es fehlt auch an klaren Vorschriften in der öffentlichen Beschaffung im Einklang mit dem deutschen Vergaberecht. Die Nutzung von elektronischen Marktplätzen hängt größtenteils von der Innovationsbereitschaft einzelner öffentlicher Auftraggeber ab. Insgesamt wird deutlich, dass den öffentlichen Auftraggebern insbesondere für Direktaufträge Softwarelösungen verschiedenen Anbieter zur Verfügung stehen, die es zu nutzen gilt.


TH: Wie und wo kann man sich über die Möglichkeiten von elektronischen Marktplätzen für den öffentlichen Einkauf informieren?

SK: Mit dieser Frage setzen sich die Einkaufsleitungen in den Fachgruppen der BME-Sektion „Öffentliche Auftraggeber“ bereits seit Längerem auseinander. Die Ergebnisse sind in der 1. Auflage des im Oktober 2023 erschienen Leitfadens mit dem Titel „Chancen und Nutzung von elektronischen Marktplätzen im öffentlichen Einkauf“ zusammengefasst. Der Leitfaden gibt einen ausführlichen Überblick über die Welt der E-Marktplätze und findet neue Lösungsansätze. Denn die Bedeutung von E-Marktplätzen nimmt zu und die am Markt angebotenen Lösungen entwickeln sich stetig weiter.


TH: Welche Vorteile hat ein elektronischer Marktplatz für die Beschaffungsverantwortlichen?

SK: Digitale Plattformen wie elektronische Marktplätze ermöglichen öffentlichen Auftraggebern den Zugang zu einer breiten Anbieterbasis und schaffen so die Voraussetzungen, um eine fundierte Lieferantenauswahl, sowohl qualitativ als auch quantitativ, treffen zu können. Mit der Vielzahl der Anbieter und der Fülle an Informationen und deren Auswertbarkeit tragen E-Marktplätze zu mehr Wettbewerb bei und erhöhen die Markttransparenz. Damit wird es einfacher, die Anbieter nach nachhaltigen und sozial verantwortlichen Kriterien zu bewerten.

Das vollständige Interview finden Sie hier ab Seite 38.

 

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